Theresa Schleicher spricht für die Zukunft: Warum niemand mehr an Sustainable Fashion & Living vorbeikommt.
Jedes Jahr veröffentlicht die Handelsexpertin und Zukunftsforscherin Theresa Schleicher zusammen mit dem Zukunftsinstitut den nicht mehr weg zu denkenden Retail Report. Darin geht es einzig darum, wie sich der gesellschaftliche Wertewandel auf die Modeindustrie auswirkt.
„Buy less. Choose well. Make it last. Quality, not quantity. Everybody’s buying far too many clothes.“
Zu Deutsch: „Kauft weniger. Wählt bedacht aus. Sorgt dafür, dass sie lange Zeit halten. Qualität, nicht Quantität. Alle kaufen viel zu viel Kleidung.“
Diese weisen Worte stammen zwar nicht von der Autorin des Retail Reports Theresa Schleicher selbst, sondern aus dem Munde der rebellischen Modeikone Vivienne Westwood. Das Zitat passt so perfekt in die heutige Zeit und die Zukunft der Modebranche, dass wir es hier einmal ausleihen.
Ohne Profil kein Profit.
Es sei kein Zufall, so sagt Theresa Schleicher, dass derzeit ausgerechnet Unternehmen der Mitte wie P&C Düsseldorf oder Galeria Kaufhof reihenweise Insolvenz anmelden. Sie haben den Anschluss verpasst, denn Kund:innen begeistern sich heute für andere Produkte und Werte.
Weil sich die gerade die Gesellschaft der Mitte sehr stark weiterentwickelt hat, trifft es im Moment die Unternehmen, die die Mitte bedienen und nicht schnell genug auf den Wandel reagiert haben. Neben Nachhaltigkeit geht es auch um Digitalisierung, alles Themen, so Theresa Schleicher, die durch Krisen beschleunigt werden.
Fakt sei auch, dass der Konsum stark zurück gegangen ist und Konsument:innen generell viel nachhaltiger agieren. Brauche ich dieses Kleidungsstück wirklich und brauche ich es jetzt, fragen sie viele.
Unternehmen, die „in der Profillosigkeit der Mitte stecken geblieben sind“, bekommen jetzt die Quittung dafür. „Es gibt auch Akteure, die gut durch die Krisen kommen“, sagt Theresa Schleicher. Das wären die Discounter und Luxusunternehmen, die es in schweren Zeiten immer einfacher hätten.
Theresa Schleicher: „Es braucht eine emotionale Bindung an die Marke.“
Heute und zukünftig müsse ein Konzern schnell agieren können: „Das Erfolgsrezept der „Fast-Fashion“ liegt nicht in der schnellen Produktion von möglichst viel, sondern in der in der Agilität des Konzerns.“ Gerade in der Fast-Fashion-Industrie würde Nachhaltigkeit an vielen Stellen auf eine kreative und bunte Weise, weniger streng, umgesetzt. „Das macht gerade jungen Konsumenten Spaß und genau in diese Richtung muss und wird sich die Modebranche weiterentwickeln. Es braucht die Emotionalität.“
„Je älter wir als Gesellschaft werden, desto jünger werden wir im Geiste.“
Theresa Schleicher spricht von einer enormen Veränderung der Gesellschaft. „Wir haben unterschiedliche Generationen, die unterschiedliche Bedürfnisse haben. Durch Corona sind alle wieder näher zusammengerückt, es geht jetzt mehr um den Zusammenhalt.“
Gerade das ältere Klientel würde seit der Pandemie sehr viel mehr auf Gesundheit, Qualität und Nachhaltigkeit achten. „Das sind nicht nur die Jungen.“
„Menschen wollen sich kreativ ausdrücken. Das machen wir stark mit Mode.“
Theresa Schleicher sieht gerade über Mode eine Möglichkeit, aus Krisen auszubrechen. Es gehe heute und in Zukunft darum, die eigene Emotionalität ausdrücken zu können und Verantwortung zu zeigen.
„In Berlin sehe ich heute schon viele Second-Hand-Bewegungen, auch nachhaltig zertifizierte Mode, doch alles eher in kleinen Bereichen, alles noch nicht laut und kreativ“, so Theresa Schleicher. „Das wird in der Wirtschaft noch nicht so interpretiert. Kunden müssen „erzogen“ werden von den großen Händlern und Filialisten, das wird in den nächsten Jahren kommen müssen.“
Theresa Schleicher: Die „15-Minuten-Stadt“
Die Zukunfts- und Handelsforscherin Theresa Schleicher befasst sich nicht nur mit den Entwicklungen des Einkaufsverhalten der Gesellschaft in Bezug auf Mode. Sie forscht mit anderen Experten des Zukunftsinstituts auch an der Art, wie Menschen in Städten der Zukunft leben wollen.
Dabei kommt immer wieder die Idee der „15-Minuten-Stadt“ auf: niemand soll – möglichst zu Fuß oder mit dem Fahrrad – mehr als 15 Minuten benötigen, um die wichtigen Dinge des Alltags erledigen zu können.
Der Weg zum Job, zur Kita, in die Schule oder zum Arzt, der nächste Park oder Sporteinrichtungen, Kulturangebote wie Theater, Kino oder der Einkaufsbummel in Läden – all das soll nicht mehr als 15 Minuten vom Wohnort entfernt liegen.
In Paris oder Hamburg gibt es bereits Projekte, die diese „Zukunftsvision“ in die Gegenwart übertragen haben. Die Idee dahinter ist denkbar einfach: „Der Mensch ist faul“, so Theresa Schleicher. „Wir brauchen die Dinge vor der Nase, sonst nutzen wir sie nicht.“
Stimmt wohl. Was die Zukunft der Mode und des Handels sonst noch bereithält, teilt die innovative Keynote Speakerin in ihren Vorträgen, die sie zum Beispiel über die jährliche Retail Vision, die Innenstadt 2040 oder in einem Ausblick auf die Mode Branche 2030 hält.
Dass niemand mehr an Sustainable Fashion & Living vorbeikommt, steht für Theresa Schleicher außer Frage. Mit ihrer Arbeit leistet sie einen wichtigen Beitrag für eine für alle lebenswerte Zukunft.
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